Spiekeroog

14 April 2017

Nach fast fünfzehn Jahren in Deutschland wollte ich mehr vom Lande sehen. Etwas Neues, den Norden, die deutsche Inseln. Für einen Brasilianer ist es etwas ungewöhnlich Deutschland mit Strand in Verbindung zu bringen. Ein Brasilianer verbindet Deutschland mit Winter, mit Schwarzbrot, mit Apfelstrudel. Aber nicht mit Strand. Nein! Strand assoziieren wir mit der Karibik, mit Bier in der knallen Sonne, Samba und Unmengen von Menschen. Aber mit Deutschland verbinden wir das Wort Strand nicht. Das war die erste Herausforderung beim Aussuchen des Urlaubsziels. Die zweite Herausforderung war zu hören was ein Deutscher mit Strand verbindet: Strandkorb, Spaziergänge bei denen man sich mit einer Sonnenbrille gegen den Wind anlehnen muss, am besten mit einem dicken Pulli und einem Ostfriesennerz. Das Konzept von einem Strandkorb alleine versteht ein Brasilianer schon nicht. Eine Liege, ja! Mit der kann man man sich in die Sonne legen und bräunen. Aber im Strandkorb, eingepackt in einem Pulli, mit Sandbrille, ein Buch zu lesen? Da stößt jeder bei Brasilianern nur auf Unverständnis und Kopfschütteln.

Brasilianer legen sich am Strand und werden meistens braun, manche rot. Dazu gibt es verschiedene Umschreibungen im Portugiesischen schoko—braun, rot—braun, gold—braun. In meinen Spaziergängen im Spiekeroog konnte ich sehen, dass sich die Farbe der Kinder, die am Strand glücklich spielten, allmählich änderte. Das waren schöne Variationen von Blau und Lila. Na ja, da haben wir fast etwas gemeinsam, dachte ich sarkastisch. Ich konnte nicht umhin: ich musste den Kopf schütteln, als ich die Kinder glücklich bei Wassertemperatur von fünfzehn Grad spielen sah. Verwirrend.

Ich dachte, was Strand angeht, müssten Deutsche und Brasilianer inkompatibel sein. Der Brasilianer hat einen schönen Tag am Strand, wenn er vor lauter Sonnenschirmen den Sand nicht mal sehen kann. Leute Überall. Dazu Musik, Kokosmilch, Bier und gegrilltes Fleisch. Der Deutsche auf den Nordseeinseln freut sich, wenn er einen breiten Sandstrand für sich alleine hat. In meinem Kopf findet der Deutsche Genuss, wenn er ein Pionier ist. So kann er sich in seinen Strandkorb mit seiner Sandbrille und Pulli setzen und sein Buch lesen. Ohne Kopfschütteln von Brasilianern.

Ich denke nach diesem Urlaubsbericht, muss ich rechtfertigen, warum ich überhaupt zu den Nordseeinseln wollte. Dadurch, dass ich mit einem Norddeutschen zusammen bin, war ich neugierig nach wiederholten Erzählungen von Urlauben auf den Nordseeinseln. "Das musst Du unbedingt mal sehen. Spiekeroog ist toll. Gute Nordseeluft" Ich dachte: "Norddeutschland kennst Du eh nicht. Weg von der Stadt… Man will ja seinen Horizonten erweitern." Spiekeroog und Neuharlingersiel kamen mir vor, wie eine Mischung von Holland und Dänemark mit Deutsch als Amtssprache. Platt habe ich selten gehört. Ich war überrascht mit meiner eigenen Fähigkeit ohne Handy, Fernseher, mich selbst zu beschäftigen ohne Unfug zu treiben. Ich war überrascht wie gut die Gastronomie auf der Insel ist: exquisite Gerichte mit frischen Shrimps und Lachs, Torten und Tees! Spektakulär war allerdings ein Morgenlauf auf dem Deich bei tiefem Nebel und Sonnenaufgang. Definitiv ein Highlight! Letztendlich war ich eigentlich überrascht, dass mir der Urlaub gefallen hat.